Wir alle kennen diese Momente, in denen sich unsere Gedanken überschlagen. Sorgen, Ängste und düstere Szenarien drängen sich auf, ohne dass wir sie bewusst eingeladen hätten. Oft erscheinen sie in genau den Momenten, in denen wir ohnehin schon innerlich aufgewühlt sind – bei Stress, unter Druck, in Konflikten oder einfach dann, wenn das Leben mehr fordert, als es gerade zu geben scheint. Was wir dabei häufig übersehen: Diese Gedanken entstehen nicht aus dem Nichts. Sie sind eng verknüpft mit dem Zustand unseres Körpers – insbesondere mit dem Grad unserer inneren Anspannung.
Die Psychologie und Neurowissenschaft zeigen deutlich: Unser geistiger Zustand ist unmittelbar mit unserer körperlichen Spannung verbunden. Je angespannter wir sind, desto aktiver wird unser sogenanntes „Bedrohungssystem“. Dieses stammt aus frühen Zeiten der Menschheit und ist darauf programmiert, Gefahr schnell zu erkennen und entsprechend zu reagieren – durch Flucht, Angriff oder Erstarren. Was früher das Überleben sichern sollte, wird heute in harmlosen, aber stressigen Situationen aktiviert. Unser Körper geht in Alarmbereitschaft, Hormone wie Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet, die Muskulatur spannt sich an – und unsere Gedanken richten sich automatisch auf potenzielle Gefahren.
Das erklärt, warum Ängste und negative Gedanken oft dann besonders laut werden, wenn wir unter Spannung stehen. In solchen Momenten fällt es uns schwer, differenziert zu denken. Wir sehen eher Probleme als Lösungen, Risiken statt Chancen. Der Kopf wird eng, die Perspektive verzerrt. Und je länger dieser Zustand andauert, desto mehr verselbständigen sich die Sorgen – ein Teufelskreis aus Spannung und Grübeln entsteht.
Der Ausweg liegt paradoxerweise nicht darin, zwanghaft positiv zu denken oder die Sorgen zu unterdrücken, sondern darin, dem Körper Entspannung zu ermöglichen. Wenn wir uns entspannen – körperlich wie mental – signalisiert das unserem Gehirn, dass keine unmittelbare Gefahr besteht. Das Bedrohungssystem fährt herunter, die Gedanken werden ruhiger, klarer, realistischer. In der Entspannung gewinnen wir Abstand zu unseren Sorgen. Wir erkennen, dass viele Ängste nicht zwingend Fakten sind, sondern Ausdruck unseres inneren Zustands.
Im Alltag bedeutet das: Wir sollten Entspannung nicht als Luxus betrachten, sondern als Notwendigkeit für psychische Gesundheit. Regelmäßige Pausen, bewusste Atmung, Bewegung, Zeit in der Natur, Meditation oder einfach ein Moment der Stille – all das sind Wege, die innere Spannung zu reduzieren. Auch der bewusste Umgang mit Medien, weniger Multitasking, mehr Präsenz im Hier und Jetzt hilft, den Geist zu beruhigen.
Wichtig ist dabei nicht Perfektion, sondern Kontinuität. Wer regelmäßig für kleine Inseln der Entspannung sorgt, baut ein inneres Gegengewicht zum Stress auf. In diesen Momenten können wir wieder klar sehen, unsere Sorgen relativieren und die Kontrolle über unsere Gedanken zurückgewinnen.
Am Ende geht es nicht darum, keine Angst mehr zu haben – sondern darum, mit ihr auf eine Weise umzugehen, die uns nicht lähmt, sondern wachsen lässt. Und dieser Weg beginnt mit dem ersten bewussten Atemzug.


