Stress, Erschöpfung und Burnout sind Begriffe, die in unserer leistungsorientierten Gesellschaftqa allgegenwärtig sind. Doch während Überlastung als ernstzunehmendes Problem anerkannt wird, bleibt eine andere Form der psychischen Belastung oft unbeachtet: die chronische Unterforderung. Boreout – das Gegenteil von Burnout – ist ein Zustand, in dem Langeweile, Monotonie und das Gefühl, nicht gebraucht zu werden, zu einer tiefen inneren Erschöpfung führen. Wer an Boreout leidet, fühlt sich ausgelaugt, antriebslos und innerlich leer, obwohl es objektiv betrachtet keinen Grund für Überforderung gibt.
Das Paradoxe am Boreout ist, dass er von außen kaum erkennbar ist. Während Burnout oft mit einem übervollen Terminkalender, langen Arbeitszeiten und hoher Verantwortung in Verbindung gebracht wird, betrifft Boreout vor allem Menschen, die zu wenig zu tun haben oder deren Aufgaben sie geistig nicht fordern. In vielen Fällen handelt es sich nicht um völlige Untätigkeit, sondern um Arbeit, die als sinnlos empfunden wird. Die betroffenen Personen erledigen ihre Aufgaben ohne wirkliche Herausforderung oder Motivation und versuchen, die Zeit bis zum Feierabend totzuschlagen.
Diese Form der Unterforderung kann schwerwiegende Folgen für die psychische Gesundheit haben. Wer dauerhaft das Gefühl hat, nichts beizutragen oder seine Fähigkeiten nicht nutzen zu können, beginnt, an sich selbst zu zweifeln. Die innere Unruhe wächst, gepaart mit dem Gefühl, überflüssig zu sein. Hinzu kommt, dass in vielen Arbeitsumfeldern der Druck besteht, beschäftigt zu wirken. Anstatt offen über das Problem zu sprechen, tun Betroffene so, als hätten sie genug zu tun – sie lassen ihren Bildschirm geöffnet, bewegen unauffällig die Maus oder ziehen Aufgaben künstlich in die Länge, um den Eindruck von Produktivität zu vermitteln. Doch genau dieses Versteckspiel verstärkt das innere Gefühl der Sinnlosigkeit.
Langfristig kann Boreout genauso belastend sein wie Burnout. Anhaltende Unterforderung führt zu einem Zustand der inneren Lähmung, in dem selbst kleine Aufgaben als mühsam empfunden werden. Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und Gereiztheit sind häufige Begleiterscheinungen. Manche Menschen entwickeln psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenprobleme oder Schlafstörungen, ohne den Zusammenhang mit der eigenen Arbeitssituation zu erkennen. Andere versuchen, das innere Loch mit Ablenkungen zu füllen – sei es durch stundenlanges Scrollen am Smartphone, übermäßigen Kaffeekonsum oder eine wachsende Gleichgültigkeit gegenüber dem, was um sie herum passiert.
Boreout ist besonders tückisch, weil er oft unbemerkt bleibt. Während Überarbeitung schnell auffällt und gesellschaftlich anerkannt ist, wird Unterforderung oft mit Faulheit verwechselt. Menschen, die sich langweilen, haben oft Schuldgefühle oder schämen sich, weil sie glauben, das Problem liege an ihnen selbst. Doch die Ursache liegt meist nicht in mangelndem Engagement, sondern in einer strukturellen Fehlanpassung zwischen den Anforderungen des Jobs und den individuellen Fähigkeiten oder Bedürfnissen.
Ein erster Schritt aus dem Boreout ist, das Problem überhaupt als solches zu erkennen. Wer sich ständig müde, unmotiviert oder unerfüllt fühlt, obwohl die Arbeit eigentlich leicht zu bewältigen ist, sollte sich fragen, ob er sich geistig gefordert fühlt. Manchmal hilft es, aktiv nach neuen Aufgaben zu fragen oder Verantwortung zu übernehmen, um wieder einen Sinn in der eigenen Tätigkeit zu finden. Doch nicht immer ist es möglich, innerhalb der aktuellen Arbeitsstelle eine Lösung zu finden. In manchen Fällen kann es notwendig sein, sich nach neuen Herausforderungen umzusehen, die besser zu den eigenen Stärken passen.
Boreout ist kein Zeichen von Schwäche oder mangelndem Ehrgeiz, sondern eine ernstzunehmende psychische Belastung. Wer sich dauerhaft unterfordert fühlt, sollte sich nicht mit dem Gedanken abfinden, dass es „schlimmer sein könnte“. Sinnvolle Arbeit ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis – und wer dieses Bedürfnis ignoriert, riskiert, langfristig nicht nur seine Motivation, sondern auch sein Wohlbefinden zu verlieren.


