Angst ist ein zutiefst menschliches Gefühl, das in bestimmten Situationen völlig natürlich und sogar notwendig ist. Sie warnt uns vor Gefahren, hilft uns, wachsam zu bleiben, und bereitet den Körper auf schnelle Reaktionen vor. Doch wenn die Angst überhandnimmt, wenn sie sich in unser Denken einschleicht oder unseren Alltag dominiert, dann wird sie zu einer Belastung. Ein oft übersehener, aber zentraler Faktor im Verständnis und im Umgang mit Ängsten ist das innere Spannungsniveau – also das Maß an körperlicher und geistiger Erregung, das wir in einem bestimmten Moment mit uns tragen.
Psychologisch betrachtet besteht ein enger Zusammenhang zwischen erhöhter Anspannung und der Intensität von Angstgefühlen. Ist der Körper in einem Zustand erhöhter Grundspannung – zum Beispiel durch Stress, Schlafmangel oder eine ständige innere Alarmbereitschaft – wird er viel schneller und heftiger auf angstauslösende Reize reagieren. In diesem Zustand braucht es oft nur einen kleinen Auslöser, und der Körper schaltet in den Modus „Kampf oder Flucht“. Die Angst erscheint dann übermächtig, obwohl sie vielleicht gar nicht in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Situation steht. Dieser Mechanismus erklärt, warum Menschen in stressreichen Phasen häufig mehr Ängste erleben – sie tragen ein hohes Spannungsniveau in sich, das wie ein Verstärker wirkt.
Wird dieses Spannungsniveau jedoch gesenkt, zum Beispiel durch Entspannungstechniken, ausreichend Schlaf oder achtsames Verhalten, verringert sich in der Regel auch die Intensität der erlebten Angst. Der Organismus ist dann weniger anfällig für die Eskalation von Angstreaktionen, weil er nicht ständig in Habachtstellung ist. Man könnte sagen: Wer innerlich zur Ruhe kommt, gibt der Angst weniger Raum, sich auszubreiten.
Eine besonders wirkungsvolle Methode, um das Spannungsniveau akut zu senken, ist die bewusste Atmung – insbesondere eine Technik, bei der die Ausatmung etwas länger dauert als die Einatmung. Diese scheinbar einfache Praxis hat eine tiefgreifende Wirkung auf das vegetative Nervensystem. Beim Einatmen steigt die Herzfrequenz leicht an, was den Körper aktiviert. Beim Ausatmen hingegen sinkt die Herzfrequenz – ein Zeichen dafür, dass der Parasympathikus aktiv wird, also jener Teil des Nervensystems, der für Ruhe und Regeneration zuständig ist. Wer also bewusst etwas länger ausatmet als einatmet, sendet seinem Körper das Signal: Es ist sicher, du darfst loslassen.
Diese Form der Atmung ist nicht nur ein körperlicher Trick, sondern eine Einladung an Geist und Seele, zur Ruhe zu kommen. Sie kann helfen, aus dem Karussell der Gedanken auszusteigen, die Angst zu entkoppeln von der inneren Spannung und das Nervensystem in einen ruhigeren Zustand zu bringen. Dabei geht es nicht darum, Angst vollständig loszuwerden – sondern darum, ihr in einem Zustand der inneren Stabilität zu begegnen. Denn wenn der Sturm in uns selbst sich legt, wirkt auch die Welt um uns herum oft weniger bedrohlich.